Diskografie

Jazz ist anders

Jazz ist anders
Veröffentlichung
02.11.2007
Format
Album

“Die Welt gehört dir – und der Rest deines Lebens beginnt.”

Es ist ihr (je nach Zählweise) ungefähr zwanzigstes Album und beweisen müssen die ärzte niemandem mehr, dass sie die Beste Band der Welt sind. Immerhin vier Jahre sind seit “Geräusch” vergangen, dem letzten Studioalbum, das nach dem “White Album”-Prinzip funktionierte: ein schier überbordendes Doppelalbum, das drei eigenständige und -willige Songschreiber geprägt haben.

“Du bist immer dann am besten, wenns dir eigentlich egal ist.”

“Jazz ist anders” funktioniert anders. Puristischer. Gemeinsamer. Triologischer. Selbstgemachter. Denn das war diesmal Band-Konsens: die ärzte machen auf diesem Album am liebsten alles selbst.
So gibt es (nach dem 84er Debüt-Album “Debil” zum zweiten Mal in der Bandgeschichte überhaupt) keinen Produzenten (außer die ärzte) und für die Fotosessions wurde der Selbstauslöser aus der Kiste gekramt.* Drei Monate lang hat sich die Band zusammen mit zwei bis drei hungrigen Tontechnikern** im Tritonus- Studio eingesperrt und ein Album hingelegt, das mit neu entdeckter Spielfreude und den Untugenden der die ärzte aufwartet: Songs, deren unverkennbare Ohrwürmigkeit aus jener Gratwanderung zwischen lässig präsentierter Geschmackssicherheit und dem guten alten die ärzte-“Bad Taste” herrührt, für die sie völlig zu Recht berühmt und sowieso unerreicht sind. Und sie lassen es ordentlich krachen: “Elektrische Gitarren” und “Lärm” sind nicht zufällig Schlüsselworte der ersten Singleauskopplung “Junge”. Konterkariert wird das von einem (fast schon) minnesingenden Farin Urlaub (“Nur einen Kuss”), dem (diesmal lustigen) Vampir Bela B. oder dem (vergleichsweise doppelten) Lovesong “Niedliches Liebeslied” des Rodrigo González.

“Und immer diese Texte – das will doch keiner hörn!”***

Auch bei die ärzte reimt sich ein “Schalala und Schalalu” nur auf “Du”! Aber wer die ärzte kennt, wird sie vielleicht auch dafür lieben, wie sie auf “Jazz ist anders” wieder mit der deutschen Sprache umgehen: Da werden Reime noch so liebevoll geschnitzt wie einst die Laubsägearbeiten der Wirtschaftswundergeneration zum AndieWandhängen für die Ewigkeit. Oder so. Auf einem die ärzte-Album findet man die kleinen Wahrheiten des Lebens genauso wie die großen Fragen – Herz und Schmerz und “Gags “R” Us” inklusive. (Und wer sonst könnte sich das irrsinnig ehrliche “Tu das nicht” trauen, ohne gesteinigt zu werden?)

“Du hast nur dies eine Leben, wenns vorbei ist, ists vorbei.”

Es gibt also ein neues die ärzte-Album. 16 (plus drei****) neue Songs. Natürlich in einer aufsehenerregenden***** Verpackung, deren unverschämt “haptische Präsenz” im eigenen Regal den Besitzer adelt. Aber das ist ja nicht wirklich etwas Neues. Denn die ärzte sind die ärzte sind die ärzte. Nichts weniger als die Beste Band der Welt. Klar.

*) Dass im hauseigenen Label Hot Action Records noch nicht alle arbeitslos sind, ist wohl nur dem sonst nicht mehr zu bewältigenden Arbeitspensum von BelaFarinRod geschuldet. Die haben ja als “Solokünstler” allesamt noch ordentlich nebenher zu tun; mit dem Racing Team, Los Helmstedt oder Abwärts – um nur mal die wichtigsten Projekte zu benennen.
**) Das “TeamTonic” besteht übrigens aus Mirko Schaffer, Oliver Zülch, Philipp Hoppen und Praktikant Rico Spitzner.
***) Fast tun einem die eingeschworenen die ärzte-Fans leid, die nach Erscheinen des Albums nicht mal zwei Wochen Zeit haben bis zum Tourstart – also bis zur unbedingt notwendigen Textsicherheit von über 3.500 Wörtern. (Ohne Bonus-EP und Single-B-Seiten!)
****) Eine Bonus-EP mit drei Songs von die ärzte über die ärzte liegt dem Album bei.
*****) Es sei denn, man kennt eine Osteria “Da Ärzte”, die 5″-Pizzen ausliefert.